Etwa die Hälfte der CSD-Saison in Thüringen liegt hinter uns und sie war bereits erfüllt von lautem Protest, solidarischem Miteinander und deutlichen politischen Botschaften. In Pößneck, Weimar, Jena, Nordhausen, Sonneberg und Mühlhausen sind zahlreiche Menschen auf die Straße gegangen, um für die Rechte queerer Menschen einzustehen, Sichtbarkeit zu schaffen und klare Zeichen gegen Diskriminierung zu setzen.
Doch bei aller Freude über die kraftvollen und bunten Veranstaltungen ist auch spürbar: Die gesellschaftliche Stimmung ist angespannt. Immer wieder erreichen uns Berichte über Sorgen rund um die Sicherheit bei CSDs. Anreisen müssen sorgfältig geplant werden, viele treten nicht allein an, Gegendemonstrationen werden als potenzielle Gefahr abgewogen. Auch unangemeldete Gruppen am Straßenrand zeigten deutlich, dass queerfeindliche Einstellungen noch immer öffentlich sichtbar sind.
Diese Realität zeigt: CSDs sind nach wie vor unverzichtbar. Sichtbarkeit, Sicherheit und Solidarität sind keine verhandelbaren Werte und solange das nicht selbstverständlich sind, bleiben wir laut. So oft wie nötig.
Die Demonstrationen wurden begleitet von zahlreichen bewegenden, wütenden und empowernden Redebeiträgen, die deutlich machten: Queeres Leben ist politisch und der Kampf um Anerkennung und Schutz längst nicht beendet. Einen dieser Beiträge möchten wir mit euch teilen: Luna Mübius sprach beim CSD in Sonneberg eindrucksvoll über queere Sichtbarkeit und Sicherheitsfragen in Deutschland. Ihre Worte hallen nach und verdienen es, gehört zu werden.
Und: Die Saison ist noch lange nicht vorbei! In den kommenden Wochen stehen weitere Demonstrationen an. Wir freuen uns auf eure Stimmen, eure Präsenz, und eure Unterstützung.
Luna Möbius: "Aber das größte Sicherheitsproblem, das ist nicht Sabine, das ist nicht Tareq, das bin nicht ich." - Redebeitrag vom CSD Sonneberg 2025
"Ich bin Luna, ich bin trans, ich komme aus Sachsen-Anhalt.
Das ist ne unangenehme Kombi, obwohl es keine sein sollte.
Aber Leute, Ostdeutschland ist Heimat. Für viele von euch sicher auch.
Und meine Heimat ist für mich nicht sicher.
Deutschland ist kein sicheres Land,
denn deutsche Politiker*innen wie Alice Weidel, Jens Spahn oder Carsten Linnemann sagen uns [das] täglich, also muss es ja stimmen, oder?
Ja, es stimmt.
Deutschland ist kein sicheres Land.
Für mich nicht, denn ich bin trans.
Für Sabine nicht, denn sie ist Autistin.
Für Tareq nicht, denn er ist nicht weiß.
Wenn ich den vielen Talkshows oder meinen TikTok-Kommentarspalten glaube, dann sind es Menschen wie Sabine, wie Tareq, wie ich.
Denn dann wird so getan, als wären es entweder die woken linken die das Land zerstören, oder die Ausländer.
Aber das größte Sicherheitsproblem, das ist nicht Sabine, das ist nicht Tareq, das bin nicht ich.
Sondern das ist die AfD, die CDU/CSU, die vielen Politiker*innen, rechten Medien, die eindreschen auf die, die weniger haben als andere, weil sie nichts anderes können, außer zu hassen und zu spalten.
Die Feindbilder erfinden, weil sie politisch nichts anzubieten haben, aber trotzdem ihre Macht behalten wollen.
Nennen wir das Kind doch beim Namen:
Deutschland hat kein Migrationsproblem.
Deutschland hat ein Naziproblem.
Und das nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch in NRW, auch in Bayern, auch in Berlin.
Ich hab da keinen Bock drauf.
Ich hab keinen Bock mehr Angst haben zu müssen davor angespuckt, beleidigt oder bedroht zu werden.
Ich hab keinen Bock mehr darauf, dass meine Freunde abgeschoben werden sollen.
Kein Bock in einem Land zu leben in dem wir länger über einen scheiß erschossenen Fisch reden, als über Lorenz, dessen Vater aus Togo kam und der mit 21 Jahren in Oldenburg von der Polizei erschossen wurde.
Oder über Rahma Ayat, die Krankenschwester, die aus Algerien nach Deutschland kam, von ihrem deutschen Nachbarn ständig wegen ihres Kopftuchs belästigt und schließlich im Treppenhaus erstochen wurde.
Wenn wir in Deutschland über Sicherheit sprechen - und das müssen wir tun - dann sprechen wir verdammt nochmal über solche Fälle!
Ich habe zum Ende 3 Bitten.
An die Presse: Denkt an eure Verantwortung! Hört nicht auf, über solche Fälle zu berichten.
Hört auf, Faschisten eine Plattform zu geben. Rechtsextreme gehören nicht ins ARD Sommerinterview. Rechtsextreme gehören vor Gericht.
An die Menschen, die denken, ihnen könnte das alles egal sein: Jede hier von uns hat eine Person im Freundes-, Bekanntenkreis oder der Familie, die Opfer von häuslicher Gewalt wurde. Oder von Rassismus. Von Queerfeindlichkeit.
Und einer AfD, einer radikalisierten CDU, der ist es egal, ob du weiß bist und hetero, ob du arbeiten gehst oder zu Hause deine Familie pflegst.
Denen geht es nur um sich und nie um andere.
Und am Ende, wenn du nicht mehr in ihr komisches Weltbild passt, werden sie auch ein Feindbild finden, was dich trifft.
Und dann wird niemand mehr da sein, der dir hilft.
Also sei solidarisch.
Oder halt dein Maul.!
An die Menschen, die hier Politik machen, egal ob im Gemeinderat, im Landtag, im Ehrenamt, auf Social Media.
Gebt nicht auf. Ihr seid nicht allein.
Ich war vor ein paar Wochen in Budapest auf der Pride.
Orbán hat extra die Verfassung von Ungarn geändert, um die Pride zu verbieten.
Und unsere Sicherheitsbriefings sagten, es könnte Polizeigewalt geben oder Gewalt durch Nazis.
Am Ende aber waren über 250.000 Menschen auf der Straße, egal ob queer oder nicht.
Und sie waren dort für ihre Freiheit.
Zu lieben, wie sie wollen. Zu leben, wie sie wollen. Frei zu sein.
Am Ende werden wir immer stärker sein, wenn wir zusammen stehen.
Also bleibt solidarisch und passt auf euch auf.
Und lasst euch niemals einreden, dass eure Heimat den Rechten gehört.
Happy Pride!"
Luna Möbius [sie/ihr] ist Aktivistin, Content Creator und Referentin für politische Kommunikation.
Der Text ist ihre Transkription ihres Redebeitrags beim CSD Sonneberg am 19. Juli 2025.
Web: www.luna-moebius.de
Instagram: luna.moebius
Foto: Luna Möbius 2025 (Credit: Kai Senf)
Kommende CSD Termine
Noch ist die Saison nicht beendet! Die CSDs in Thüringen in den kommenden Wochen:
- Sa, 30. August 2025: CSD Suhl
- Sa, 06. September 2025: CSD Erfurt
- Sa, 13. September 2025: CSD Eisenach
- So, 14. September 2025: CSD Ilmenau
- Sa, 27. September 2025: CSD Gera
- Sa, 25. Oktober 2025: CSD Weimar
Wir sehen uns dort!