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Wahlprüfsteine... nachgefragt - DIE LINKE

Unsere Fragen:

In ihrer Antwort auf unsere Wahlprüfsteine positionierte sich Ihre Jenaer Direktkandidatin Frau Dr. Lukin u.a. folgendermaßen:

„Der Freistaat muss die Gleichstellung Eingetragener Partnerschaften verwirklichen. Die Standesämter sollten flächendeckend für die Eintragung der Partnerschaften zuständig sein. […] Die Bildungsprogramme sollten zur Erzeugung eines gesellschaftlichen Klimas beitragen, das durch Toleranz, Respekt und gegenseitiger Achtung geprägt ist. [...] Gesetzliche Initiativen, Vermittlung von Wissen, Unterstützung von Vereinen und Netzwerken, die sich mit den Themen Antidiskriminierung, Gewaltfreiheit und Gleichstellung aber auch mit konkreten Bildungs-, Gesprächs- und Unterstützungsangeboten befassen, sind notwendig.“

Laut Thüringer Koalitionsvertrag der CDU-SPD wurde folgendes vereinbart:

„Die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare werden gestärkt. Es besteht Einigkeit, dass Lebenspartnerschaften zukünftig vor dem Standesamt geschlossen werden können. Versorgungsansprüche von Beamten werden entsprechend der noch ausstehenden bundesgesetzlichen Regelung ausgearbeitet.“ (S. 49)

Auch im Hinblick auf die Diskussion und Entscheidung zu Ihrem Antrag „Diskriminierung wegen sexueller Orientierung schnellstmöglich in Thüringen beenden“ (behandelt am 26. März im Plenum des Thüringer Landtages) erlauben wir uns nun, folgende Fragen an Sie zu richten:

  1. Welche Projekte, die sich mit Bildungs-, Gesprächs- und Unterstützungsangeboten befassen, fördern Sie bereits bzw. werden Sie fördern?
  2. Mit wohlwollendem Interesse haben wir die Fortführung ihres langjährigen Engagements für Lesben- und Schwulenrechte in der Plenarsitzung vom 26. März 2010 verfolgt. Leider lehnte die Plenumsmehrheit einen „Gesetzescheck“ für Thüringer Gesetze aus eingangs erwähntem Antrag jedoch ab.
    Wo sehen Sie derzeit eine Benachteiligung von Lesben und Schwulen aufgrund von Thüringer Gesetzen? Was ist Ihr weiterer Plan hinsichtlich der Abschaffung dieser Benachteiligungen? Mit welchen konkreten Zeitvorstellungen verfolgen sie dieses Ziel?
  3. Unterstützen Sie Initiativen auf Bundesebene zur weiteren Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften (Stichwort: Grundgesetz)?

Antwort von Karola Stange (Gleichstellungs- und behindertenpolitische Sprecherin DIE LINKE):

Erfurt, 05.05.2010

Sehr geehrter Herr Gothe,
Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 10.04.2010. Herr Ramelow hat mich als gleichstellungspolitische Sprecherin der Fraktion gebeten Ihnen zu antworten.

In der 4. Wahlperiode des Thüringer Landtages hatte die Fraktion DIE LINKE in Zusammenarbeit mit dem LSVD Landes- und Bundesverband in Drucksache 4/4806 einen umfangreichen Gesetzentwurf zur Anpassung des Thüringer Landesrechts an das Lebenspartnerschaftsgesetz des Bundes erarbeitet und in den Landtag eingebracht. Er beinhaltet 50 Änderungen von Einzelgesetzen und Verordnungen, unter anderem auch die Festschreibung der Standesämter als Eintragungsbehörden sowie die Anpassung der Vorschriften für Familienzuschläge und Beihilfe im Beamtenrecht. Die Fraktion hatte die Überweisung des Gesetzentwurfs m verschiedene Fachausschüsse beantragt. Dieser Antrag sowie der gesamte Gesetzentwurf wurden von der Mehrheit des Landtages abgelehnt.

Im Rahmen der nach der Ablehnung zeitnah erfolgten Novellierung des Thüringer Beamtenrechts wurden die o.g. 50 Änderungen nochmals als Änderungsantrag m die Beratung eingebracht, aber wiederum von der Landtagsmehrheit abgelehnt. Der wiederholte Verweis der Fraktion auf das in Art. 2 Abs.3 ThürVerf verankerte ausdrückliche Diskriminierungsverbot/Gleichstellungsgebot (Stichwort: sexuelle Orientierung) und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wurden namentlich von CDU-Fraktion und Landesregierung beharrlich ignoriert.

Daraufhin reichte die LINKE-Fraktion im Juli 2009 eine Normenkontrollklage beim Thüringer Verfassungsgerichtshof ein, in der beispielhaft für die o.g. Punkte im Beamtenrecht geklärt werden soll, welche Pflichten sich für den Thüringer Gesetzgeber (Landtag) aus dem Verbot bzw. Gebot des Art. 2 Abs. 3 ThürVerf ergeben. Nach derzeitigem Stand ist mit einem Urteil in dieser Sache frühestens im Herbst diesen Jahres zu rechnen. Die neue Landesregierung aus CDU und SPD hat als „Gegenseite“ im Verfahren noch nicht eindeutig Stellung genommen und verweist u.a. auf den noch ausstehenden Abschluss eines Vertragsverletzungsverfahrens der EU gegen Deutschland wegen Versäumnissen bei der Gleichstellung von Lesben und Schwulen.

Diese Position bestätigte die Landesregierung auch in der Debatte zum jüngsten Themenantrag der Fraktion im Landtag „Diskriminierung wegen sexueller Orientierung in Thüringen schnellstmöglich beenden“ (Drs. 5/635). Der Antrag war auch als Unterstützung der aktuellen Kampagne zur Ergänzung des Artikels 3 GG um das Kriterium der sexuellen Identität gedacht. Dieser Antrag fand ebenfalls keine Mehrheiten. Explizit die FDP erklärte eine solche Ergänzung für überflüssig

Über den Fortgang unserer Arbeit werden wir Sie auf dem Laufenden halten und hoffen weiterhin auf Ihre außerparlamentarische Unterstützung. Wir als Fraktion DIE LINK~ verstehen uns insbesondere im Bereich der Gleichstellungspolitik, namentlich der Gleichstellung von lesbischen und schwulen Menschen, als „parlamentarischer Arm“ von außerparlamentarischen Aktivitäten Interessenvertretungen und Organisationen.

Die Forderungen im Gleichstellungsantrag vom März 2010 und aus unserem umfangreichen Gesetzentwurf werden wir mit parlamentarischen und außerparlamentarischen weiterverfolgen. Auch angesichts der Tatsache, dass die Entscheidung im Verfahren vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshofs auf sich warten lässt, ist es meines Erachtens sinnvoll, in aller nächster Zeit zu einem Gespräch zusammenkommen, bei dem Organisationen, Interessenvertretungen und engagierte Einzelpersonen sich darüber verständigen sollten, wie das Thema Gleichstellung von Lesben und Schwulen (eingeschlossen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften) durch unterschiedliche Aktivitäten in nächster Zeit mehr in den Fokus der öffentlichen bzw. politischen Diskussion in Thüringen gerückt werden kann. Es geht um nicht weniger als um 20 Jahre fortgesetzten Verfassungsbruch in Thüringen (Stichwort. Art. 2 Abs. 3), namentlich durch die Thüringer CDU.

Einen Termin für die o.g. Gesprächsrunde werde ich Ihnen in den nächsten 14 Tagen zukommen lassen und würde mich freuen, wenn Sie vom Verein QuerWeg an dem Treffen teilnehmen und ihre Vorstellungen und Vorschläge in die Diskussion einbringen würden.

Mit freundlichen Grüßen

Karola Stange